Das GenderCamp ist als ein offenes Event für Diskussionen, Workshops, Vorträge und andere Präsentations-, Lern- oder Arbeitsformen konzipiert, die durch die Teilnehmenden aktiv gestaltet wurden. Jeder_r konnte aktive Teilnehmer_in und nicht bloß Zuhörer_in sein. Das Programm wurde vor Ort von den Teilnehmer_innen gemacht. Möglich war alles, was von den Teilnehmenden angeboten wurde: Vorträge, lockere Diskussionsrunden oder Workshops, bei dem etwas gebastelt, gelötet, getextet oder programmiert wird. Diese konnten vorab auf gendercamp.de oder aber (wie der Großteil der Sessions) vor Ort vorgestellt werden. Das endgültige Tagesprogramm entstand erst ad hoc auf dem Camp (und ist diesem Sachbericht beigefügt). Neben einer nicht hierarchischen Arbeitsweise war dabei der Aspekt der Vernetzung besonders wichtig. Auf dem GenderCamp konnten sich Menschen austauschen, die im Netz zusammenarbeiten und Ideen für neue Projekte entwickeln.

„Wie Netzkultur, queere Politik und Feminismus zusammengedacht werden sollen, wurde nicht im Voraus festgelegt, sondern in der Tradition der BarCamps thematisiert. Bei BarCamps handelt es sich um offene Tagungen, deren Inhalte und Ablauf user generated sind, also von den Teilnehmenden selbst bestimmt werden. Diese partizipative Organisationsform geht auf eine Reihe von Veranstaltungen zurück, die vom Software-Entwickler Tim O’Reilly initiiert wurden, der seit 2003 jährlich Freunde zum Austausch und Übernachten im Rahmen eines Hacker-Events lädt.“ Kendra Eckhorst in der JungleWorld über das GenderCamp

GenderCampDer „BarCamp“- bzw. OpenSpace-Gedanke des GenderCamps ist voll und ganz aufgegangen. Die Veranstaltung hat sich ausgezeichnet durch eine große Vielfalt und Breite an Methoden und Inhalten. Unter gendercamp.posterous.com/ wurden während der gesamten Veranstaltung und auch auch noch im Anschluss daran Protokolle, Zusammenfassungen und Feedbacks zu den einzelnen Workshops und „Sessions“ im speziellen und zum gesamten Genderamp im Allgemeinen verfasst. Neben Texten finden sich dort auch Audio- und Videomitschnitte verschiedener Vorträge und einige Fotos von Workshops und anderen Aktivitäten. Auch Powerpoint-Folien wurden auf diese Sammelblog hochgeladen. Insgesamt wurden von den Teilnehmenden an den zweieinhalb Tagen in Hüll 25 verschiedene Sessions angeboten, die in acht ein- bis zweistündigen Blöcken durchgeführt wurden. Daneben gab es immer wieder auch gemeinsame Plena, Diskussionsrunden und Vorträge, sowie ein abschließendes Auswertungsplenum. Eine wichtige Rolle hatten aber auch die Pausen zwischen den Sessions, in denen Diskussionen und Ergebnisse aus den einzelnen Workshops ausgetauscht wurden und die als Zeiten informellen Lernens bedeutend zu dem Gesamtkonzept und dem Ziel der Vernetzung beitrugen.

Die Session befassten sich mit technischen, sozialen, politischen und kulturellen Themen rund um die Komplexe Internet und Geschlechtverhältnisse. Einige Beispiele:

  • In einem Vortrag wurden Suchbegriffe vorgestellt, mit denen User auf feministischen Blogs landen. Dadurch wurde unter anderem auf teils sehr unterhaltsamer Weise deutlich, wie Leute auch mit sexistischen Annahmen und Suchbegriffen auf antisexistischen Webseiten landen können.
  • In der Fishbowl-Diskussion am Freitag Abend ging es um die vielfältigen Strategien für den Umgangs mit dem Paradox im Netz geschlechtlich identifiziert sein zu müssen/wollen/sollen. Möglichkeiten dabei können etwa sein: Uneindeutigkeit verteidigen, deutlich zu machen, dass Uneindeutigkeit nicht Neutralität bedeutet oder das bestimmte Positionierungen einzufordern sind. Credo war dabei: feministische Vernetzung und Sichtbarkeit im Netz stärken. So ergeben sich im Netz Möglichkeiten, eine kritische Auseinandersetzung mit Differerenzen auch in den Mainstream oder an privilegierte Postionen zu tragen. Dabei könnte es auch wichtig sein, Angriffe und „Shitstorms“ auszuhalten, um mit der Sichtbarkeit verschiedener feministischer Positionen auch aus der „Emma-Ecke“ rauszukommen.
  • Aufbau eines Meshnetz: Ein Meshnetz ist ein Netzwerk, in dem es ideell keine zentralen Instanzen wie Router und Server gibt, sondern die einzelnen Teilnehmer_innen (Knoten) direkt miteinander kommunizieren. Dies ermöglicht unter anderem eine größere Unabhängigkeit von kommerziellen Dienstleistern und hierarchisch aufgebauter Infrastruktur. In der Session wurde bisschen gebastelt: Es wurde ein kleines Meshnetzwerk (abc.freifunk.net) mit Notebooks als Knoten aufgebaut. Auf einen von diesen Notebooks wurde ein DHCP-, ein DNS- und einen HTTP-Server laufen gelassen. Internetverbindung, die über ein Kabel rein kam wurden in das Meshnetz weitergeleitet und so geteilt.
  • In einem Input zu „Gender in der Bildungsarbeit“ wurden Konzepte des ABC Bildungs- und Tagungszentrum vorgestellt und Medienprodukte aus der gendersensiblen Seminararbeit des ABCs gezeigt.
  • In der „Mädchenblog-Session“ gab es die Gelegenheit für Macher_innen und User_innen, sich über das maedchenblog.blogsport.de, seine Entstehungsgeschichte, Organisation und Inhalte auszutauschen sowie Kritik und Ideen einzubringen. (http://gendercamp.posterous.com/protokoll-madchenblog-autorinnen-trefen-leser)
  • Bei einem mehrteiligen Arduino-Workshop ging es darum mit den Arduino-Einsteigersets von Bausteln.de LEDs auf einem Steckbrett zum blinken zu bringen. Diese Einführung in die Arduino-Plattform bot einen ersten niedrigschwelligen Einstieg in die Welt des Programmierens mit und für Microcontroller. (http://gendercamp.posterous.com/textprotokoll-zum-arduino-workshop-teil-i-und)
  • Eine Filmemacherin präsentierte den Film „Schlampenau, eine schlampolygarchutopie“ über das „Sommercamp für unnatürliche Frauen” vor, das seit 2007 zu einer jährlichen Veranstaltung geworden ist. „Auch unnatürliche Frauen brauchen Erholung“, stand in der Ankündigung, „einfach Zeit mit anderen Schlampen verbringen, fernab der Heteronormativität, um Erfahrungen auszutauschen, Utopien zu diskutieren oder gemeinsam eine neue Beziehungskultur zu entwickeln.“ In dem Film sprechen vier Teilnehmerinnen über Polyamorie, das Sommercamp, Feminismus, Queer zu sein und ihre Träume für die Zukunft. (http://gendercamp.posterous.com/schlampenau-eine-schlampolygarchutopie-film-a)
  • In der Session zu „Female Nerds“ kam die Idee auf, eine Art „Hall fo Fame für Female Nerds“ anzulegen, um unseren liebsten Nerdinen Tribut zu zollen und sie sichtbar zu machen (http://www.gendercamp.de/networks/wiki/index.Female%20Nerds%20Hall%20of%20Fame)

Erwähnenswert bleibt, dass aus vielen Sessions und Diskussionen neue, zum Teil längerfristige, Projekte entstanden sind. Während des GenderCamps wurden etwa angestoßen:

Die Diskussion zum GenderCamp wurde auch online fortgeführt. Auch drei Wochen nach dem Wochenende wird das Community-Forum rege genutzt und im Mai gab es etwa allein auf Twitter fast 600 Nachrichten mit dem Schlagwort „#GenderCamp“. Die Berichterstattung in verschiedenen Blogs und Podcast, sowie der Wochenzeitung JungleWorld (http://gendercamp.posterous.com/das-gendercamp-in-der-jungle-world) über das GenderCamp sorgten für einen nicht unerheblichen Multiplikationseffekt.

In einem begeisterten Blogpost schreibt eine Teilnehmerin rückblickend:

„Ich habe sie gefunden, die reale Glasglocke, die nicht nur im Netz existieren muss, sondern auch an einem realen Ort, mit einer Wiese, einem wunderschönen Haus im Nirgendwo, irgendwo bei Hamburg. Und mit Menschen. Menschen die ich sehen kann und anschauen und mit denen ich sprechen, lachen, diskutieren, zusammensitzen, nicht nur schreiben kann. Eigentlich möchte ich am liebsten meine Tasche wieder einpacken und zurückfahren. Nach Hüll zum Gendercamp.“

Eine zweistündige konstruktive Kritik ist in dem (queer-)feministischen Podcast „Heiter Scheitern“ zu hören: http://www.scheitern.org/?p=130.

Ein Resultat der guten Ressonanz auf das GenderCamp ist es, dass es vom 13. bis 15. Mai 2011 auf jeden Fall eine Nachfolgeveranstaltung geben soll.

Die komplette, teilnehmendengenerierte Dokumentation und viele weiterführende Links gibt es hier: gendercamp.posterous.com

Unser herzliches Dank geht an dieGesellschafter.de, den Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten und die Bundeszentrale für politische Bildung für die Förderung des Projekes sowie insbesondere an das großartige Orgateam und die engagierten Teilnehmer_innen, ohne die das GenderCamp nicht möglich gewesen wäre.